Heute morgen überquerte ich bei aufgehender Sonne die Brücke nach Esposende und frühstückte auf einer Bank hinter der Dorfkirche.

Das Meer war auf dem heutigen Weg nur aus weiter Ferne zu sehen, was aber gar nicht weiter schlimm war. Vielmehr ging es durch verschiedene kleine Dörfer mit alten Damen, die ihre Einkaufnetze vom Markt nach Hause brachten, Männern, die ihre Autos putzten, und Katzen, die in der Sonne lagen und vorbeikommende Pilger erwartungsvoll ansahen.

Trotz des sonst eher flachen Küstenweges gab es heute auch einige bergige Abschnitte. Während ich den besonders steilen Anstieg zur Santiagokirche in Castelo do Neiva in Angriff nahm, musste ich an ein Gespräch mit einer australischen Mitpilgerin heute Morgen zurückdenken, die in Begleitung ihrer 78-jährigen Schwester unterwegs ist – ob die beiden das alles schaffen werden?

Hinab ging es dann durch märchenhafte Kiefern- und Eukalyptuswälder und schließlich durch das schöne Flusstal des Rio Neiva – bisher landschaftlich mein Lieblingsteil! Bei einer kleinen Pause ließ ich die Füße im Fluss baumeln und beobachtete die zögerlichen Pilger, die ebenselbiges Gewässer über die etwa 50 m lange und einen Meter breite Brücke ohne Geländer überquerten (Rettungsring hing da, ist aber keiner abgestürzt 😅). Noch rechts und links Blasenpflaster geklebt (eher prophylaktisch), weiter ging’s.

Bevor die Erschöpfung siegte, freute ich mich am Ende des Waldes über einen Pilgerstand mit freundlichem Gastgeber, der die vorbeikommenden Pilger mit Obst, Snacks und kalten Getränken gegen eine Spende begrüßt.

Nach allem Auf und Ab kam dann endlich in weiter Ferne die Eiffel-Brücke in Sicht, die hinüber nach Viana de Castelo führt. Die etwa 500 m lange, blau-metallene Brücke gehört eigentlich Auto- und Zugverkehr – dem Pilger als geduldetem Nebengast bleibt also nur etwa ein knapper Meter Laufbreite. So war es beim Überqueren auf beiden Seiten spannungsvoll: zur Linken glitzerte das Flusswasser in der Nachmittagssonne und zur Rechten donnerten Busse und Lkw zentimeternah bei vibrierendem Brückenkonstrukt vorbei.

Wie bereits durch viele Pilger vor mir getestet, ließ sich das aber auch bewältigen und ich erreichte die Unterkunft in Viana do Castelo, versorgte mich mit Snacks aus dem naheliegenden Supermarkt und verbrachte den Sonnenuntergang am Hafenbecken.

Zurück im Zimmer lache ich gerade noch mit einer Mitpilgerin über unseren unter-der-Dusche-singenden Nachbarn und schalte dann jetzt doch mal das Licht aus, um nicht selbst die Nachtruhe-störende Mitpilgerin zu sein. Boa noite!

Morgiges Ziel: Caminha

Heutige Erkenntnis: Meer ist nicht immer Mehr!

PS: Die Australierin und ihre Schwester habe ich übrigens später nochmal wiedergetroffen, weiterhin sportlich des Weges mit ihren Walking-Stöcken 🙂