Am Morgen packte ich meinen Rucksack wieder zusammen und zog weiter. Bereits in der ersten Ortschaft traf ich einige Pilgerfreunde, die gerade in einer Bar frühstückten und gesellte mich dazu.
Auf dem weiteren Weg passierten wir mehrere kleinere Dörfer, die ich nur so nebenbei mitbekam, da ich mit einer Schwedin ins Gespräch vertieft war. Schneller als erwartet erblickte ich am Horizont dann tatsächlich schon die nächstgrößere Stadt Sahagún. Ich folgte dem vorher nach rechts abzweigenden Weg, auch wenn dieser aus der (manchmal sehr subjektiven) Sicht des Autors des Pilgerführers als Umweg in die Stadt beschrieben wurde.
Dort traf ich an einer kleinen Kirche auf allerhand fotografierende Pilger – dieser Ort markierte augenscheinlich die offizielle Hälfte des Pilgerweges von Saint-Jean nach Santiago. Ich stellte mich also bereitwillig zur Verfügung, alle Kleingrüppchen zu fotografieren und freute mich darauf, selbst in ein paar Tagen Halbzeit zu feiern.
So zog ich gemeinsam mit einigen anderen in Sahagún ein. Wir setzten uns bei Sonnenschein in einen Biergarten, jeder bestellte “una cerveza, por favor” (ein Bier, bitte) und ich snackte die chipsähnlichen Cracker, die uns auf den Tisch gestellt wurden. So saßen wir eine Weile zusammen – bis ich auf einmal zurückschrak – und zur allgemeinen Belustigung angewidert feststellte, dass ein Cracker Borstenhaare hatte. Wie sich herausstellte, handelte es sich dabei um Chicharrones, landestypische Cracker aus getrockneter Schweinehaut. Buen apetito!
Indes ließen sich weder die Zeit, noch der Stand der Sonne, von unserem Biergartenaufenthalt und dem anschließenden Supermarktbesuch beeindrucken, und so war es bereits kurz vor 15 Uhr als ich die Stadt verließ. In sengender Hitze trat ich also die letzten 5 Kilometer entlang der Hauptstraße an und erreichte die Herberge in Calzada del Coto, wo mich ein freundlicher Hospitalero (freiwilliger Herbergenbetreuer) empfing.
Trotz des angekündigten Gewitters hing ich meine Wäsche auf die Leine, um sie dann bei Einsetzen des Regens immer abwechselnd nach drinnen und draußen zu transportieren.
Am Abend zogen wir als internationale Fünfergruppe los, um in unseren Flipflops die Straßen des 120-Seelen-Ortes unsicher zu machen. In der einzigen Bar des Ortes erfuhren wir im Gespräch mit unserem Tischnachbar, dass der Wirt sehr geschäftig und ein wenig aufgeregt sei, da er selten Pilgergäste bewirtete. Der Spanier sprach sehr gut Englisch, da er jahrzehntelang in London gearbeitet hatte. Wir unterhielten uns über den Wein und er war ganz verwundert zu hören, dass wir noch nie eine Weinkelterei besichtigt hatten. Sofort rief er einen Freund herbei und lud uns ein, später am Abend seinen Weinkeller zu besichtigen.
Nach dem Essen gingen wir also zurück zur Herberge, schlichen uns zusammen mit dem Hospitalero hinaus und tippelten wie Teenager auf Klassenfahrt zur Exkursion in den Weinkeller. Obwohl wir nebenbei in ein Familienessen hineinplatzten, wurden wir überschwänglich empfangen. Es war unglaublich zu sehen, wie viel Freude es den Spaniern bereitete, uns einen Einblick in ihre Lebenswelt zu geben. Im Dorf hatte es sich natürlich mittlerweile herumgesprochen, dass einige Pilger zur Besichtigung kommen wollten und so bekamen wir nicht nur eine, sondern gleich zwei kleine, rustikale Weinmanufakturen zu Gesicht – jeweils mit entsprechender Verkostung des frisch gezapften Weines. So lernten wir in den dunklen, kühlen Kellergängen eine Menge über verschiedene Traubensorten, die richtige Lagerung des Weines und nach wie vielen Monaten dieser denn am besten schmeckte.
Auf dem Rückweg in die Herberge war es für uns als “Schulklasse” ausnahmsweise sogar mal von Vorteil, unseren “Klassenleiter” alias den Hospitalero dabei zu haben, denn so gelang es uns, mit ihm zusammen in die nach 22 Uhr bereits schon nachtruhende Herberge zurückzuschleichen. Auf Basis des Weines ließ es sich dann auch gut einschlafen 😉
Hasta mañana und Gracias für alle bisherigen Spenden!