Heute morgen starteten wir in gleicher Besetzung wie gestern Abend gemeinsam in den Weg, vereinzelten uns unterwegs und trafen nach 9 km in der ersten Pilgerbar wieder zum Frühstücken zusammen.

Dabei wurde eine Geschichte zum Besten gegeben, die sich zwar bereits gestern Morgen ereignet hatte, aber dennoch hier nicht unerwähnt bleiben soll. Da ich jedoch nicht selbst dabei war, berichte ich es so, wie es mir heute früh erzählt wurde:

Als der koreanische Mitpilger (mit der jünger aussehenden Frau) am gestrigen Morgen seine Schuhe anziehen wollte, stellte er fest, dass diese ihm über Nacht zu klein geworden sein mussten. Eine Verwechslung vermutend, begannen sofort rasende Telefongespräche, mündliche Auskundschaftungen und wildes Gerenne. Im Laufe des Vormittags konnte dann über vielfache Wege ermittelt werden, dass sich das vertauschte Paar Schuhe an den Füßen des 41 km laufenden, alten Spaniers befinden musste. Dieser war natürlich schon über alle Berge und stritt vehement ab, nicht sein eigenes Schuhwerk zu tragen. Am Ende wurde dieses dann aber doch über eine Taxifahrt zwischen den beiden ausgetauscht. Zurück blieben ein unglaublich dankbarer Koreaner und diese Geschichte einer tollen Camino-Begebenheit 🤭

Für den weiteren Weg wählten wir danach nicht die Variante entlang der Autobahn, sondern den schöneren Weg über Felder und Wiesen. Scheinbar dachten jedoch nicht viele Mitpilger so, denn auf dem ganzen heutigen Weg war weit und breit kein anderer Pilger zu sehen. Dabei gab es einiges zu verpassen – ob den Regenbogen auf dem Feld, bei dem sich die Sonne in den Tropfen der Wassersprinkler widerspiegelte oder die Ameisenstraßen, die kontinuierlich den Weg kreuzten und auch am Sonntag fleißig arbeiteten. Auch führte der Weg entlang der alten Römerstraße Calzada Romana, von der noch antike Reste zu erkennen waren.

Das Dorf am heutigen Morgen sollte dabei das einzige bleiben, was an diesem Tag auf dem Weg liegen würde – jedoch blickte ich dieser Tatsache mittlerweile gelassen entgegen. Auch gab der Weg sein Bestes, um von den fehlenden Trinkwasserquellen auf 18 Kilometern abzulenken und die Sonne wurde zumindest hin und wieder von einer Wolke am Himmel abgelöst. So erreichte ich schließlich Reliegos – wobei sich auf dem Weg ins Tal am Horizont tatsächlich schon der morgige Meilenstein León abzeichnete.

Angekommen in der Herberge hieß es, dass der kleine Dorfsupermarkt ab 17 Uhr heute geöffnet wäre und ich beschloss, diesen zu gegebener Zeit aufzusuchen. Die Richtung ließ sich leicht erahnen, da einige andere bereits mit vollen Tüten von dort herströmten. Als ich jedoch hinein gehen wollte, war abgeschlossen und weit und breit keiner zu sehen. Der Versuch einiger zu Hilfe eilender Anwohner, die im Haus nebenan klingelten, war ebenfalls erfolglos. Da also alles nichts nützte, machte ich kehrt zur Herberge. Auf halbem Weg kam mir ein Auto entgegen, dessen Fahrer wild winkte – es war der Herbergsvater und gleichzeitig der Ladenbesitzer, der aufgrund seiner Doppelfunktion kurz zur Herberge gefahren war. Ich sprang also für die letzten Meter Richtung Dorfladen in das Auto, in dem sich der Fahrer für die einminütige Fahrt nichtsdestotrotz eine dicke Zigarre angezündet hatte, und konnte so doch noch meinen Mini-Einkauf erledigen – eine Packung Kekse also mit längerer Geschichte 😉

Da in meiner Herberge heute nicht viel los war, schloss ich mich den anderen in der Unterkunft nebenan an. Dort gab es das Pilgermenü für alle vegan: Salat, Reis, Gemüse-Kichererbsen-Curry mit Ingwer und zum Abschluss Obstsalat. Dazu natürlich Wein. Lecker!

Hasta mañana und Gracias für alle bisherigen Spenden!