Am Morgen verließ ich León durch die angrenzenden Industrie- und Wohngebiete, passierte einige Vororte der Stadt und kaufte dort -nebenbei bemerkt- ein richtig leckeres, hausgebackenes Croissant. Danach teilte sich der Weg in La Virgen del Camino in eine Nordvariante entlang der Straße und eine im Süden, welche zwar ein paar Kilometer länger, jedoch durch die Natur führte. Besonders zu beachten war hier, dass die Teilung nicht nur für die heutigen Pläne, sondern auch für die morgigen noch von Bedeutung sein würde. Die Entscheidung fiel mir an dieser Stelle allerdings nicht schwer.
Ansonsten hatte ich bei den Menschen unterwegs heute das Gefühl, dass Leon den “Camino-Topf” noch einmal kräftig umgerührt hatte, da ich fast nur neue Gesichter traf. Zunächst unterhielt ich mich ein Stück des Weges mit einem alten Ehepaar aus Colorado, dann ging ich eine Weile mit einem jüngeren Ukrainer und schließlich traf ich eine Österreicherin, die den Weg tatsächlich in die andere Richtung lief – was dazu führte, dass wir uns gegenseitig Herbergen empfehlen konnten.
In Chozas de Abajo folgte ich einem Hinweis auf eine Bar, die scheinbar aber etwas abseits des Weges lag. Noch während ich lief, fragte ich mich, warum ich den Pfeilen eigentlich gefolgt war, da ich weder hungrig noch durstig war. Aber nun wollte ich auch nicht mehr umkehren, ich kaufte also trotzdem etwas und traf dort nebenbei ein Mädchen aus Taiwan, welches ich tatsächlich schon aus einer vorherigen Herberge kannte. Wir unterhielten uns über unsere heutigen Zielorte. Dabei musste ich ihr für ihre Planung leider mitteilen, dass sich ihre reservierte Herberge tatsächlich auf der anderen Route im Norden befand. Rechtzeitig noch bemerkt, war sie unglaublich dankbar über diesen Hinweis, da sie die Teilung des Weges offenbar gar nicht mitbekommen hatte. Damit hatte ich auch herausgefunden, warum ich den Umweg zu dieser Bar hatte einschlagen sollen.
Da das Wetter heute sehr pilgerfreundlich war, mit nicht zu viel Sonne und einigen Wolken, und ich von gestern gut erholt war, geriet ich regelrecht in einen Laufflow und kam gut voran. Nach einer längeren Pause entschied ich mich aufgrund dessen dann, auch die letzten Kilometer noch bis Hospital de Orbigo zurückzulegen. Es lief heute einfach!
Im nächsten Dorf traf ich dann eine Pilgerfreundin, wir unterhielten uns vor dem Dorfladen sitzend und ich erzählte die Geschichte der verirrten Pilgerin. Sofort mussten wir beide unglaublich lachen über die groteske Situation. Sie sagte, dass ich vielleicht ein Pilger-Engel sei und ich gab belustigt zu, dass dessen Aufgabe wohl eher nicht darin bestände, Leuten zu sagen, dass sie falsch gebucht hätten.
Dort kam ich dann am späten Nachmittag an und wurde von einer tollen Kulisse begrüßt, welche vor allem durch die lange, steinerne Brücke Puente de Órbigo geprägt war. In der kirchlichen Herberge wurde ich sofort herzlich empfangen und bekam nette Bettnachbarn. So schlossen sich diese auch gern abends zum Dinner an, welches wir in einem kleinen Restaurant verbrachten. Das Essen war lecker und die Gesellschaft international neu gemischt aus fünf Ländern. Am Nebentisch zeigte sich dabei auch die volle Größe einer neuen Pilgergruppe, von der ich heute schon gehört hatte und die uns jetzt auf dem Weg wahrscheinlich begleiten würden – siebzehn Italienerinnen und Italiener, die sich zufällig auf dem Weg begegnet waren, und seither immer als Großgruppe unterwegs waren und zusammen übernachteten. Unglaublich, so viele neue Personen auf dem heutigen Weg!
Hasta mañana und Gracias für alle bisherigen Spenden!