An diesem Sonnabendmorgen startete das Geraschel im Schlafsaal bereits eine halbe Stunde früher – die meisten wollten bei Sonnenaufgang bereits auf der Bergspitze sein. Unsere “Herbergsmutter” wartete in großmütterlicher Kittelschürze dennoch bereits an der Türschwelle mit dem Frühstück und verstand offenbar die verrückten Pilger nicht, welche ohne Stärkung in den Tag starten wollten. Ich bedankte mich also, packte Toast und Marmelade aber doch ein und begab mich auf den Weg zum Cruz de Ferro. Dieses stellt für den Pilgerweg seit jeher einen der symbolträchtigsten Punkte dar, da hier jeder am Fuße des Kreuzes einen mitgebrachten Stein als Symbol für die persönlichen Lasten ablegen kann.
Oben angekommen, war der riesige Berg an Steinen, die über Jahrhunderte hinweg von Pilgern einzeln hierher getragen worden waren, tatsächlich beeindruckend. Bezüglich des Sonnenaufgangs war ich jedoch verwirrt – wer war auf die Idee gekommen, den Pilgern zu sagen, dass man diesen von hier aus sehen konnte? Da war doch nur ein schmaler Streifen am Horizont, welcher zudem weitestgehend hinter dem Wald verborgen war. Meine Frage wurde jedoch sogleich beantwortet, der Himmel färbte sich innerhalb weniger Minuten komplett rosa – und genauso schnell wie es gekommen war, war das Farbspektakel auch wieder vorüber.
Beeindruckt schaute ich mit einigen anderen zu, eine gewisse Spannung lag in der Luft. Obwohl die meisten der danach ankommenden Pilger diesen Moment leider knapp verpasst hatten, wurde es dann doch allmählich betriebsamer am Kreuz und jeder versuchte ein Foto zu ergattern. Als dann ein Taxi hielt, aus dem zwei Mädels in Sommerkleidern und weißen Turnschuhen hüpften, suchte ich schleunigst das Weite.
Lassen sich besondere Momente auf Knopfdruck generieren? In ein einzelnes Foto packen? Oder hat das vielmehr was mit zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu tun?
Etwa einen Kilometer nach dem Gipfel traf sich dann alles wieder am Verpflegungsstand mit Kaminfeuer, wo sich das Wetter allerdings rasch zuzog und wir schließlich inmitten einer dicken Nebelwolke standen.
Man beeilte sich also, den Weg ins Tal anzutreten. Umgeben von Wolken und Nebel war es dabei unglaublich zu sehen, wie das Licht doch den Blick auf die Natur veränderte. Die gleiche Landschaft, die gestern beim Weg hinauf in voller, sonniger Blütenpracht stand, sah heute märchenhaft-verwunschen aus, wie im Zauberwald der Hexe Baba Jaga.
Als dann doch der Regen einsetzte, drückte dieser die Stimmung nicht und wir erreichten gut gelaunt das erste Dorf. Dort wurde entschieden, dass ein Stück hausgebackener Schokokuchen den Regen vertreiben sollte. Dessen Wirkung hielt tatsächlich kurzzeitig an, wurde dann jedoch von erneutem Regen abgelöst, welcher am Ende jedoch in strahlendem Sonnenschein mündete. Ein Abstieg also mit den unterschiedlichsten Wetterlagen!
In Molinaseca, welches ebenfalls zu den schönsten Dörfern in Spanien gehört, gab es dann eine Mittagspause mit Bocadillos und Empanadas, danach ging es an die letzten Kilometer nach Ponferrada.
In der dortigen Herberge verbrachte ich den Nachmittag im sonnigen Kirchgarten. Abends nutzten dann die meisten der Pilger die Küche, um ihre jeweiligen Ergebnisse des Supermarkteinkaufes zuzubereiten – inklusive des entsprechenden Tauschhandelns à la ein Stück Paprika gegen eine Scheibe Käse?
Hasta mañana und Gracias für alle bisherigen Spenden!